Editorial
Argentinier im In- und Ausland feiern in diesem Jahr den 200sten Jahrestag der "Mai-Revolution". Es war der 25. Mai 1810,
als die Bürger in Buenos Aires einseitig ihre Unabhängigkeit von Spanien erklärten. Allerdings bedurfte es dann noch
einiger Jahre (nicht ohne bewaffnete Kampfhandlungen), bevor das Ziel mit der Unabhängigkeitserklärung vom 9. Juli 1816
in Tucumán endgültig erreicht wurde.
Vom argentinischen Generalkonsulat erhielten Ulrike und ich die ehrenvolle Einladung, in Hamburg an der 200-Jahrfeier der Mai-Revolution teilzunehmen.
Über diese schöne Veranstaltung habe ich im Göttinger Tango-Info Nr 42 berichtet.
Deutschland ehrt Argentinien in diesem Jahr insbesondere durch den Ehrengast-Status auf der Frankfurter Buchmesse 2010.
Für das Göttinger Tango-Info ein willkommener Anlass, dort die vorliegende Sondernummer zu präsentieren.
Sie ist dem argentinischen Dichter, Schriftsteller, Journalisten und Literaturkritiker Alberto Mario Perrone gewidmet.
Der Tango lebt. Das beweisen einmal mehr die Tangodichtungen von Alberto Perrone. Für seine Tangos und Gedichte
muss man sich Zeit nehmen. Vielleicht sollte man sie lesen, wie man ein abstraktes Gemälde betrachtet. Unvoreingenommen
und nach allen Seiten hin offen. Sicher ergeben sich dabei zuweilen durchaus unterschiedliche Ansichten und verschiedene
Möglichkeiten der Interpretation.
Natürlich können die hier abgedruckten Texte nur Splitter aus dem Werk Alberto Perrones sein, zumal das
Göttinger Tango-Info keine literarische Zeitschrift ist und nur zu besonderen Gelegenheiten einmal in einem
grösseren Umfang als 1 Blatt DIN-A4 erscheint. Wir denken aber, dass wir trotz des begrenzten Raumes eine
Künstlerpersönlichlkeit vorstellen konnten, die im Kulturphänomen Tango ein Segment gestaltet, das man
in Deutschland bisher noch nicht kannte. Auch dies ist authentischer Tango direkt aus Buenos Aires. Nur das
Schlussgedicht "Oktober", das so gut in die Zeit der Frankfurter Buchmesse passt, gehört nicht direkt dem Genre
Tango an, wenngleich auch hier die Tangostimmung unverkennbar ist.
Naturgemäss war die Übersetzung der Texte eine nicht geringe Herausforderung. Was wir auf den
folgenden Seiten vorlegen, sollte daher als der Versuch einer Annäherung verstanden werden. Dass dieser
Versuch nicht zum Scheitern verurteilt war, verdanken wir vor allem Klaus Andriessen in Buenos Aires, der seine
Sprachkenntnisse, sein Einfühlungsvermögen und seine freundschaftliche Bekanntschaft mit dem Dichter
gern in den Dienst der Sache gestellt hat. Ihm sei an dieser Stelle ganz besonders gedankt. Auch Nicolás Piaggio,
Buenos Aires/Göttingen, danken wir für seine stete Hilfsbereitschaft und sachkundige Unterstützung.
Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir mit dem vorliegenden Sonderheft einen anregenden Start in den
Oktober. Zeugt doch auch dieses Heft von der unerschöpflichen Vielfalt der Tangokultur, in der es immer wieder
überraschend Neues zu entdecken gibt.
Eckart Haerter
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Alberto Mario Perrone, geboren 1944 in Buenos Aires, ist Dichter,
Schriftsteller, Literaturkritiker und Journalist. Als in der argentinischen
Hauptstadt Geborener, ist er ein waschechter Porteño (etwa: "Hafenbewohner"),
wie sich die Einwohner von Buenos Aires stolz nennen. Er studierte an der
Fakultät für Philosophie und Literatur der Universität seiner
Heimatstadt und gehört heute zu den bekanntesten Intellektuellen Argentiniens.
Perrone hat unter anderem mehrere Gedichtsammlungen, Künstlerbiographien und
einen Roman veröffentlicht.
Sein neuestes Werk ist das "szenische Gedicht" Azares del Quijote y Gardel
("Schicksalhafte Begegnungen zwischen Quijote und Gardel"). Ein Gesamtkunstwerk
aus Musik, Text und Tanz, das auf seiner Idee basiert und zu dem er den Text
verfasste. Es handelt von einer imaginären Begegnung zwischen der Figur
des Don Quijote und dem legendären Tangosänger Carlos Gardel. Im August
2009 erlebten die Azares (in der Form als szenisches Gedicht) ihre gefeierte
Uraufführung im Nationaltheater Cervantes in Buenos Aires.
Als Porteño ist Perrone in der Weltmetropole des Tangos aufgewachsen.
So verwundert es kaum, dass diese faszinierende Kultur wie ein Leitthema sein
gesamtes Werk durchzieht.
Sein Debüt in deutscher Sprache erlebte Perrone im Göttinger Tango-Info.
In der Nr. 11.2007 erschien sein Gedicht auf den grossen Tangodichter Homero Manzi,
"Homero y la Pesadilla" (Homero und der Albtraum), das auch in die vorliegende
Nummer aufgenommen wurde.
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